Sonntag, 3. November 2019

Politik für Evaluation

Vor ein paar Tagen hat der Wissenschaftliche Beirat beim BMWi ein Schreiben veröffentlicht, indem er die verstärkte Evaluation wirtschaftspolitischer Maßnahmen empfiehlt. Das ist zunächst einmal nicht überraschen. Natürlich sind Wissenschaftler sehr dafür, wenn Politik evidenzgetrieben und wissenschaftlich begleitet umgesetzt wird. Gute Politik ist rationale Politik, und rationales Handeln erfordert die Analyse von Ursache und Wirkung.

Der Wissenschaftliche Beirat hat sich diesem Thema nicht zum ersten Mal gewidmet, bereits 2013 hat er in einem umfänglichen Gutachten das Thema schon einmal aufgegriffen und Handlungsempfehlungen an die Politik formuliert. 

Interessant finde ich an der Stellungnahme der letzten Tage, dass sie sehr explizit auf interne Strukturen und Prozesse des BMWi eingeht. Tatsächlich hat sich im BMWi, aber auch im BMBF in den letzten Jahren einiges getan. Interne Arbeitseinheiten haben sich intensiv um das Thema Evaluation gekümmert, haben den Kompetenzaufbau innerhalb der Verwaltung unterstützt, Weiterbildungsmaßnahmen organisiert, Austauschforen etabliert, Leitfäden entwickelt, Zugang zu vorhandenen Evaluationsberichten sichergestellt und so weiter und so fort. Wer in den letzten Jahren an den Frühjahrstreffen des Arbeitskreises FTI der DeGEval teilgenommen hat, erinnert sich vielleicht an den ein oder anderen Vortrag von Kollegen aus BMWi oder BMBF dazu.

Ich glaube, innerhalb der Ministerien sind wir in Richtung Strukturbildung und Kompetenzaufbau auf einem guten Weg. Was uns in Deutschland jetzt noch fehlt, ist eine weitere Vertiefung des Austausches zwischen den verschiedenen Akteuren, zwischen Ministerien und Evaluationseinrichtungen. Mit unserem Arbeitskreis in der DeGEval haben wir zwar bereits eine funktionierende Plattform. Unsere Frühjahrstreffen belegen, dass alle Akteure ein hohes Interesse am Austausch haben. Der Blick nach Österreich zeigt meiner Ansicht nach aber doch, das hier noch deutlich mehr geht. Mit der FTEval hat Österreich tatsächlich eine Struktur aufgebaut, die der informellen Verletzungen Deutschland überlegen ist. Ein Repositorium, in dem alle Evaluationsberichte gespeichert werden, das fordert z.b. die Expertenkommission Forschung und Innovation seit Jahren, das ist in Deutschland bislang aber nicht durchsetzbar.

Zur Methodik hat sich der Wissenschaftliche Beirat diesmal nicht im einzelnen ausgelassen, ganz im Gegensatz zu seinem Gutachten von 2013. Dort hatte er insbesondere randomized controlled trials (RCTs), also Feldexperimente als Goldstandard der Evaluation gefordert. Gerade erst haben drei Entwicklungsökonomen, die mit diesem Thema bekannt geworden sind, den diesjährigen Alfred-Nobel-Gedächtnispreis gewonnen. Das Thema RCTs ist also in aller Munde. Für die Evaluation von Innovation- und Technologiepolitik spielt es bislang allerdings nur eine untergeordnete Rolle. Das mag sich in Zukunft ändern, zumal auch die Innovationspolitik selbst Experimente für sich entdeckt hat. Gerade erst hat ein Workshop des europäischen Projektträgernetzwerkes TAFTIE zu Experimenten stattgefunden, und im Frühjahr hat das BMBF eine Konferenz in Berlin mitfinanziert, die dieses Thema in den Mittelpunkt stellte.

Noch nicht ganz verstanden habe ich eine weitere Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats, nämlich die Einrichtung von Datenzentren. Natürlich ist es richtig und wichtig, Daten für die Forschung bereitzustellen. Die meisten Evaluationen im Politikfeld, die ich kenne, nutzen allerdings Sekundärdaten bzw. Umfragedaten, die sie selbst erheben. Und hier ist zum einen der Datenschutz eine erhebliche Herausforderung, bevor diese Daten für dritte bereitgestellt werden können, zum anderen sind die Befragungsdaten sehr spezifisch, kaum vergleichend nutzbar und damit auch für die weitere Forschung nur sehr eingeschränkt zu verwenden. Statt Datenzentren würde ich mir in Deutschland eher eine systematische Nachbefragung von ehemaligen Fördernehmern wünschen, wie sie ebenfalls seit vielen Jahren von der österreichischen FFG in Auftrag gegeben wird.

Eine Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats hat mir übrigens besonders gut gefallen: er fordert, dass für Evaluationen mehr Geld zur Verfügung gestellt werden.

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