Mittwoch, 11. Oktober 2017

Rückblick auf die DeGEval-Jahrestagung 2017. Teil 4

Im Block C der Jahrestagung von besonderem Interesse war die Session zu "Chancen und Grenzen interner und externer Evaluierungen aus Sicht von Politik, Verwaltung und Forschung". Hier präsentierten Rupert Pichler und Mario Steyer (beide BMVIT) die Wechselwirkung von Evaluation und wirkungsorientierter Haushaltführung in Österreich. Diese wurde ab 2009 im Zuge des neuen österreichischen Bundeshaushaltsgesetzes eingeführt. Sie verlangt von allen Ressorts die Formulierung von Zielen und Indikatoren auf unterschiedlichen Ebenen für ihre jeweiligen Politikbereiche. Damit wird die Philosophie von Evaluation - die Überprüfung von politischem Handeln auf der Grundlage definierter Ziele und ihrer Zielerreichung - erstmals auf breiter Front in alle Politikbereiche getragen. Für den Bereich FTI ist dieser Ansatz nicht neu, das Politikfeld zeichnet sich insbesondere in Österreich durch eine etablierte Kultur der Evaluierung aus, allerdings bislang eher auf der Ebene von Einzelmaßnahmen und Programmen. Gleichzeitig besitzt das Politikfeld seit langem auch übergeordnete Zielindikatoren, z.B. in Hinblick auf die FuE-Intensität oder das Ranking im Europäischen Innovationsanzeiger (European Innovation Scoreboard).


Damit stellt sich die Frage, welche Konsequenzen die wirkungsorientierte Haushaltführung für die Evaluationspraxis in der Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik hat? Ist Evaluation überhaupt noch notwendig? Die Referenten bejahten dies mit Nachdruck. Letztlich bleibt die wirkungsorientierte Haushaltsführung auf einer sehr aggregierten Ebene, sie ist zudem mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert. So sind Zielkonflikte auf unterschiedlichen Ebenen kaum zu bearbeiten, weil die Logik top down von widerspruchsfreien Zielhierarchien ausgeht. Auch werden z.B. nichtintendierte Effekte anders als bei klassischen Evaluationen nicht in den Fokus genommen. Schließlich scheint auch die Frage der Kausalität, also der Zurechenbarkeit politischer Interventionen zu gemessenen Effekten, auf der aggregierten Ebene kaum möglich. Evaluationen sind hier das deutlich  mächtigere Werkzeug, die Umsetzung der wirkungsorientierten Haushaltsführung wirkt ein wenig wie "citizen science für Beamte". Pichler und Steyer hatten bereits in der Frühjahrstagung des AK FTI in Wien einen Vortrag zum Thema gehalten, ihre Ausführungen lassen sich zudem in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift für Evaluation (2/2017) in einem ausführlichen und lesenswerten Artikel nachlesen.


Ein weiterer Beitrag der Session von Markus Schwab und Georg Spiel aus dem Bereich der Gesundheitspolitik stellte ein Praxisbeispiel einer parallelen internen Selbstevaluation und einer externen Evaluation vor. Das Setting dürfte in dieser Form eher selten vorkommen, es bietet aber die Gelegenheit, die Vor- und Nachteile beider Varianten gegenüberzustellen. Während die interne Selbstevaluation im gezeigten Fall durch breites Kontextwissen deutlich stärker in die Tiefe der Materie eintauchen konnte, bot die externe Evaluation durch ihre Außenperspektive einen Vergleich mit ähnlichen Organisationen und Prozessen. Den Vorwurf fehlenden Detailwissens zum Untersuchungsgegenstand dürften viele Evaluatorinnen und Evaluatoren übrigens aus ihrer Praxis kennen. Ebenso aus der Praxis bekannt ist die Problematik, wie viel Offenheit Gesprächspartner gegenüber externen Evaluatoren zeigen. Im geschilderten Fall waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüber den internen Evaluatoren offener, die externen Evaluatoren zeichneten sich hingegen durch weniger Betriebsblindheit und "übervorsichtigen" Fragen aus. Dies könnte je nach Organisation und Rolle interner Evaluatoren aber auch genau gegenteilig sein, Offenheit gegenüber unabhängigen Dritten ist ebenfalls eine gängige Erfahrung externer Evaluationen, die mitunter genau ihre Stärke ausmacht. Schließlich thematisierten die Referenten die Frage, inwiefern die Beauftragung externer Evaluationen die Ressourcen für ebenfalls notwendige interne Evaluations- und Monitoringprozesse schmälert. Diese Ressourcenfrage stellt sich aktuell im Feld FTI - zumindest in Deutschland - auch, wenn z.B. Projektträger z.B. als Ergebnis von externen Evaluationen neue Monitoringsaufgaben übernehmen sollen, diese aber nicht mit entsprechenden Ressourcen hinterlegt sind.

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